Förderverein ehemalige Synagoge Kitzingen am Main e. V.


2. Mai 2001     

„Wissen die Leute, wo sie gehen?
Jutta Czurda über die Uraufführung „Selma“ — Gegen das Vergessen

Die Czernowitzer Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger, ist heute unbekannt. Nur 54 Gedichte sind von ihr überliefert, die sie geschrieben hat, bevor sie im Lager Michailowska im Alter von 18 Jahren starb. Jutta Czurda zu ihrem Projekt:

„Ein Gedicht ist ein Resonanzraum für meine Gedanken und Gefühle. Es ist die Identifika­tion mit einem jungen Mädchen, das das Leben noch vor sich hat. Selma kam aus einem relativ armen Elternhaus, nicht aus dem assimilierten jüdischen Großbürgertum. Sie ist im „Kosmos“ Czernowitz aufgewachsen, wo die Liebe zur Literatur stark war. Ich denke, dass die Gedichte entstanden sind aus Einsamkeit und aus dem Wunsch, sich auch in der Einsamkeit mitzuteilen.

In der Zwischenzeit hat sich die Geschichte dazwischengeschoben, und wir wissen, was gewesen ist. Das heißt, ich lese die Gedichte heute vor dem Hintergrund ihrer ganz persönlichen Biographie und vor dem Hintergrund der tragischen Geschichte. Einer meiner ersten Gedanken war: Das darf nichts Rückwärtsgewandtes werden. Das hieß für mich: Ich will nach Czernowitz, möchte dort die Realität vergleichen mit unseren Vorstellungen von der „Versunkenen Welt“. Fred Apkes Text und Regie, Heinrich Hartls Kompositionen, Michael Aues Filmprojektionen - alle Mittel zielen darauf ab, Selmas Gedichte aus der Stummheit und aus den Buchdeckeln heraus für einen Moment zu befreien, zum Singen zu bringen.

In dieser Erinnerung gibt es für mich auch die Verbindung Czernowitz - Fürth. Czernowitz ist mal genannt worden: „Das Jerusalem am Pruth“ - so heißt der Fluss dort. Und Fürth ist das „Fränkische Jerusalem“ genannt worden. Und hier wie dort stellt sich die Frage: Wissen die Leute, wo sie gehen?“

aus:
TheaterNachrichten, April 2001
Theater Nürnberg - Stadttheater Fürth - das theater erlangen

Eine Sonderveröffentlichung in Zusammenarbeit mit den Nürnberger Nachrichten, der Nürnberger Zeitung und der Stadtsparkasse Nürnberg, Sparkasse Fürth und Stadt- und Kreissparkasse Erlangen