Veranstaltung
am Dienstag 27. Januar 2014, 19.30 Uhr
70. Jahrestag der
Befreiung aus dem KZ Auschwitz
“Zeugen der Unzeit. Das Nürnberger
Videoarchiv der Erinnerung”
Vortrag Referentin: Dr. Nicole Grom, Bamberg
Alte Synagoge Kitzingen, Großer Saal
Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Träger- und Förderverein
Obernbreit und dem Arbeitskreis Ge(h)wissen Iphofen

Keine
Erinnerungsroutine
Der Bundespräsident
und Politiker aller Richtungen äußern sich jedes Jahr zum
Holocaust-Gedenktag. Braucht es da auch noch eine Veranstaltung
in Kitzingen?
Der Förderverein
ehemalige Synagoge Kitzingen, der AK Ge(h)wissen, Iphofen und
der Träger- und Förderverein ehemalige Synagoge Obernbreit
e.V. sind der Ansicht: Ja, gerade deswegen braucht es sie: Weil
bei den prominenten Rednern fernab in den politischen Zentren
leicht eine Art beziehungslose Erinnerungskultur entstehen könnte.
Die drei Vereine
hatten deshalb Dr. Nicole Grom, Mitarbeiterin beim Nürnberger
Institut für NS Forschung, in die Alte Synagoge Kitzingen
eingeladen, die unter dem Generalthema: „Der Holocaust ist
nicht das Ende“ nach einer kurzen historischen Einführung mit
Hilfe von Videobiographien Betroffenen Gesicht und Stimme gab.
Da war die „höhere
Tochter“ aus der Nürnberger Fabrikantenfamilie und Cousine
von Rudolf Benario, dessen Familie aus Obernbreit stammt, und
der eines der ersten Mordopfer in Dachau wurde. Sie konnte kurz
vor Kriegsbeginn nach Israel fliehen.
Da war der
„Halbjude“, dessen präzise Erinnerungen niemand in der
Alten Synagoge unberührt lassen konnten: Vor der Deportation in
Nürnberg: Wenn es klingelte, dann sah man sich in der Familie
an ` wen holen sie jetzt?´ Und in Auschwitz: „Ich hab die Öfen
gesehen. . . die Kästen mit Goldzähnen lagen am Boden . . Ich
hab die Öfen gesehen. Ich hab sie als Häftling gesehen.“
Alle sechs in den
Videos vorgestellten Personen – rechtzeitig geflohene und Überlebende
aus Konzentrationslagern - schilderten aus kindlich/jugendlicher
Perspektive exemplarisch das Leben junge Jüdinnen und Juden in
Deutschland in den 30ern und 40ern: wie sie plötzlich von den
früheren Freunden geschnitten und gemobbt wurden, die Schule
verlassen mussten, nicht mehr im Verein spielen durften und ihre
Katze weggeben mussten, weil Juden keine Haustiere mehr halten
durften.
Die Kontrastierung
dieser Aussagen mit Berichten über ihre Flucht oder den
KZ-Aufenthalt und ihren neuen Lebenssituationen und die
intensive Präsenz der Personen in den Videos ließen die
Vernichtungsstrategie der Machthaber an dem Abend in der Alten
Synagoge plastisch werden.
Auch wenn alle
vorgestellten „Zeugen der Unzeit“ trotz ihrer Traumata ein
Leben nach dem Holocaust führen konnten, hinterließ der
Gedenktag kein Gefühl von happy ending.
Die Betroffenheit und
emotionale Anspannung des Auditoriums artikulierte Pfarrer Hanjo
von Wietersheim, Iphofen, in einem abschließenden Gebet.
Gerade wenn unter
denen, die fälschlicherweise behaupten, das Volk zu sein, immer
wieder Prediger von Hass und Fremdenfeindlichkeit
mitmarschieren, ist es wichtig, auch in Kitzingen daran zu
erinnern, dass auch in unserem Landkreis Menschen Opfer einer
hypertrophierten Fremdenfeindlichkeit geworden sind.
Text und Bild: Friedrich Heidecker |