„Dörfliches Judentum vom späten Mittelalter bis
zum
Dreißigjährigen Krieg am Beispiel Rödelsees“
Referent: Torben
Stretz M.A., Trier
05. Mai 2010,
19.30 Uhr
Nach den Vertreibungen des späten
Mittelalters aus den meisten Städten und größeren Territorien
siedelten sich Juden unter anderem in kleineren und kleinsten
Herrschaften des ländlichen Reichsgebiets an. Etwa seit Mitte
des 17. Jahrhunderts kam es dort zur Herausbildung neuer
jüdischer Organisationsstrukturen, den sogenannten „Landjudenschaften“.
Über die Entwicklungen und Veränderungen vom 15. bis zur Mitte
des 17. Jahrhunderts herrscht sowohl hinsichtlich des
christlich-jüdischen Zusammenlebens als auch der innerjüdischen
Organisation noch weitgehend Unklarheit. Ein Zentrum dieser
„Juden auf dem Lande“ war das herrschaftlich zersplitterte
Franken, wo vor allem die Ritterschaft zum Schutzherren wurde.
Im Forschungsprojekt „Juden auf dem Lande zwischen Mittelalter
und Früher Neuzeit (15.–17. Jahrhundert): Inklusion und
Exklusion durch Herrschaften und Gemeinden in ausgewählten
Territorien Frankens “ des Sonderforschungsbereichs 600 an der
Universität Trier wird genau diese Umbruchsphase anhand
ausgewählter Territorien Frankens in den Blick genommen. Für das
„atomisierte“ jüdische Leben gewannen nun einfache Kriterien an
Bedeutung, zum Beispiel die längere Anwesenheit von einer
größeren Zahl Juden an einem Ort oder die Kompetenz und das
Engagement einzelner Führungspersönlichkeiten in Bildung und
Gemeinde.
In dem Kondominatsort Rödelsee, der unter der
Herrschaft von bis zu vier verschiedenen Dorfherren stand,
entstand spätestens im Laufe des 16. Jahrhunderts eine für die
Zeit relativ große Judengemeinde mit eigenem Friedhof und
Synagoge. Diese konnte sich auch gegen den Widerstand mehrerer
Dorfherren, der bis zum Reichskammergericht getragen wurde,
behaupten. Auf Seiten der christlichen Dorfbewohner entstanden
Missverständisse und Vorurteile, die sich aus den Unterschieden
im sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Leben ergaben.
Dennoch waren die Juden in das dörfliche Leben auf vielfältige
Weise eingebunden, sei es als Händler wichtiger Waren oder als
Kreditgeber für den witterungsabhängigen Weinbau. Außerdem
erfüllten sie durch die Ableistung von Frondiensten
Gemeindepflichten und besuchten sogar das Wildbad im wenig
entfernten Castell. |